Ein Ort der Stille, der Verbindung, des Vertrauens
Ein Moment im Yogaunterricht: Eine Lehrerin berührt ihre Schülerin achtsam, um sie in ihrer Haltung zu begleiten. Kein Eingreifen, kein Richten – sondern ein liebevolles Unterstützen. Eine Geste voller Gewahrsein. Voller Respekt.
In diesem Augenblick spiegelt sich für mich sinnbildlich das Saha Navavatu – ein Lehrer-Schüler-Mantra aus den Upanishaden wider, das gemeinsames Lernen in Harmonie, Vertrauen und innerem Gleichklang beschreibt.
Das Lehrer-Schüler-Mantra
Om saha nāvavatu
Saha nau bhunaktu
Saha vīryam karavāvahai
Tejasvināvadhītamastu mā vidviṣāvahai
Om śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ
Übersetzung
Möge er uns beide gemeinsam schützen. Möge er uns beide gemeinsam nähren. Mögen wir gemeinsam Kraft aufbringen. Möge unser Lernen strahlend und wirkungsvoll sein. Mögen wir keinen Streit miteinander haben. Om Frieden, Frieden, Frieden.
Dieser zeitlose Vers aus den philosophischen Schriften Indiens wurzelt in einer tiefen Weisheit, die bis heute in jeder Yogastunde spürbar werden darf.
Es geht nicht darum, eine Haltung zu „korrigieren“. Es geht nicht um ein „richtig“ oder „falsch“.
Es geht darum, eine Haltung zu finden – nicht nur auf körperlicher Ebene, sondern auch auf mentaler Ebene.
Es geht darum, in eine Qualität hineinzuspüren:
Stabilität. Weichheit. Aufrichtung. Vertrauen.
Das Mantra bringt zum Ausdruck, was im Raum zwischen zwei Menschen lebendig werden darf, wenn Berührung aus der richtigen Intention geschieht. Es erinnert uns daran, dass Lehrende und Lernende kein Gegensatzpaar sind – sondern Partner auf einem gemeinsamen Weg.
Lernen geschieht im Miteinander. In Verbindung. In gegenseitiger Achtung.
Und im geteilten Wunsch, einen Raum der Sicherheit und des Friedens entstehen zu lassen – auf der Matte und im Leben.
Wenn Berührung zur Einladung wird
Ein Hands-on im Yogaunterricht ist kein Werkzeug zur Korrektur – sondern eine Einladung zur Begegnung.
Es ist ein Angebot, unterstützt zu werden – sanft, offen, ohne Druck.
Es lädt ein, nicht etwas „besser“ zu machen, sondern tiefer zu spüren:
Was ist jetzt stimmig für mich? Wie fühlt sich diese Haltung an – von innen heraus?
Ein Hands-on ist niemals ein Urteil – sondern ein Ausdruck von Präsenz und Mitgefühl. Eine Botschaft, die ausdrückt: Ich bin da. Ich begleite dich ein Stück auf deinem Weg.
Und manchmal ist es genau diese achtsame, wohlwollende Berührung, die es erlaubt, ganz bei sich anzukommen – jenseits von Form, jenseits von Technik. In dieser Art von Begegnung entsteht ein Raum, in dem beide – Lehrerin und Schülerin – gemeinsam wachsen dürfen.
Wo Lernen nicht einseitig geschieht, sondern als lebendiger Austausch. Ein Raum, getragen von Achtsamkeit und dem Wunsch, gemeinsam inneren Frieden zu kultivieren.
„Om Saha Navavatu – Mögen wir gemeinsam lernen, gemeinsam stark sein,und möge kein Streit zwischen uns entstehen.“
So wird Berührung zur Brücke – von Mensch zu Mensch, von Herz zu Herz.
Namasté Melanie