Wie Stimme, Hingabe und Gemeinschaft uns in Verbindung bringen
Am Anfang war der Klang.
Bevor Worte entstehen, bevor Gedanken Form annehmen, existiert eine Schwingung, die wir im Körper spüren können. Klang wirkt unmittelbar. Er muss nicht verstanden werden, um etwas in uns zu berühren. In der Yogatradition wird dieser erste Klang OM. Er gilt als Urlaut, aus dem alles entsteht und in den alles wieder zurückfindet. Nicht als Idee, sondern als gelebte Erfahrung. OM wird häufig mit der Zahl 108 in Zusammenhang gebracht. Symbolisch gelesen als 1, 0 und 8.
Die 1 steht für Einheit.
Die 0 für Raum, für Leere, für das Nicht Festgelegte.
Die 8 für Unendlichkeit, für den fortlaufenden Kreislauf des Lebens.
Zusammen verweisen sie auf Einssein.
Darauf, dass Trennung eine Erfahrung ist, aber nicht der Ursprung.
OM besteht aus den Lauten A-U-M und der Stille, die darauf folgt. Diese Stille ist kein Ende. Sie ist ein Nachklang. Ein Raum, in dem sich etwas setzen darf.
Wenn wir tönen oder singen, kommt der Klang nicht aus dem Kopf, sondern aus dem Körper. Der Atem wird freier, der Brustraum beginnt zu schwingen, Spannung darf sich lösen. Der Körper reagiert oft schneller, als der Verstand es erklären kann. Wir können über das Tönen einen Zugang erleben, der jenseits von Worten liegt. Ein ehrlicheres Fühlen. Eine feinere Wahrnehmung. Und von dort aus oft auch ein klareres, wahrhaftigeres Sprechen.
Die Stimme wird nicht gemacht, sie darf entstehen.
Im gemeinsamen Kirtan, im Tönen in der Yogastunde oder über den Zugang eines Instruments wie dem Harmonium öffnet sich Raum von Hingabe. Nicht im Sinne von etwas leisten müssen, sondern im Sinne von sich einlassen. Lauschen. Sich tragen lassen vom Klang.
Klang kann so zu einer Praxis des Bhakti Yoga werden. Nicht als Technik, sondern als Beziehung. Zur eigenen Stimme, zum Moment, zum Leben selbst. Gemeinsames Singen und Tönen ist in den Kulturen Teil des Menschseins. Als Weg in Nähe und Resonanz. Als Möglichkeit, sich zu regulieren. Als Erinnerung daran, dass wir nicht allein sind. Gerade in Zeiten des Neubeginns lädt Klang dazu ein, einen anderen Anfang zu wählen.
Nicht mit einem Plan.
Sondern mit einem Ton.
Vielleicht mit einem OM. Und mit der Erlaubnis, die eigene Stimme wieder in die Welt zu bringen als Ausdruck dessen, was in uns lebendig ist.
Namasté
Melanie
Foto @ Andreas Brüggemann
Kalimba von @Hokema